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So gesehen ... sieht man Zeichnungen ... in der LehrBar / ad / 05. Juli. 2002 / wir erinnern uns

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Zeichnen kann jedes Kind. Mancher, der gross geworden ist, glaubt dennoch, es nicht zu koennen. Beobachtet man die konzentrierte Euphorie, mit der der juengste Mit- und Vorarbeiter der KunstForschung das Zeichnen und Malen betreibt, ist man rasch bereit an mehr als Mimesis zu glauben. Die Aufmerksamkeit, die der Kunst Zuhause gewidmet wird, faerbt natuerlich ab, aber: eine bildende Kraft scheint dem Kind innezuwohnen.

Mit dieser pathetischen Formulierung ist man mitten im ForschungsFeld: Kind + Kunst.

Der Mythos vom schoepferischen Kind und der Kuenstlernatur des Kindes wird schon in der Romantik beschworen und insbesondere in Krisenzeiten des 20. Jahrhunderts wiederbelebt. Ausstellungen von Kinderzeichnungen finden bereits in den 1880ern bis in die 1920er, sowie nach dem 2. Weltkrieg statt. Bei den Kuenstlern steht die Suche nach unverbrauchten, radikal neuen Ausdrucksformen im Vordergrund. Sie sehen in den Arbeiten von Kindern eine besondere Naehe zu den Wurzeln kuenstlerischer Kreativitaet.

Die Kuenstlergruppe Blauer Reiter besass bspw. eine Sammlung von Kinderzeichnungen. Denn Wassily Kandinsky und Gabriele Muenter interessierte deren „universelle Formensprache“. 1912 stellten Kandinsky und Franz Marc im Almanach „Der Blaue Reiter“ Bilder des Primitivismus, solche von Kindern und eigene Werke ohne Unterschied, scheinbar willkuerlich nebeneinander. Die Kunstwerke wurden unabhaengig ihres Bedeutungskontextes ausgestellt, so als ob sie vergleichbar sind. Den Kuenstlern ging es um den Aspekt der Urspruenglichkeit ohne Ruecksicht auf Tradition. So fragt sich August Macke: Ob „Kinder nicht Schaffende“ sind, „die direkt aus dem Geheimnis ihrer Empfindung schoepfen“? Auch Paul Klee liess sich von eigenen Kinderzeichnungen und denen seines Sohnes anregen. Er sah in ihnen die Uranfaenge von Kunst. Anfang der 50er Jahre standen bei der Kuenstlergruppe COBRA nicht nur die Ikonographie und der Stil der Kinderzeichnung im Mittelpunkt, sondern der unbekuemmerte, bewusst unprofessionelle Umgang mit Farbe und Material. In der zeitgenoessischen Kunst verschwindet der Topos der unverbildeten Schoepfungskraft des Kindes. Kindheit wird zu einer Frage der Subjektauslotung. Der Mythos der Unschuld und Urspruenglichkeit wird als Fiktion erkannt. Als kuenstlerisches Mittel wir die Fotografie verwendet oder es entstehen Installationen aus KinderzimmerRelikten.

Da sich in der kunstgeschichtlichen Entwicklung zur Abstraktion verschiedene Kuenstler mit den bildnerischen Mitteln der Kinderzeichnung auseinandergesetzt haben, wird im aktuellen KinderGartenKunstProjekt, ein produktiver Umkehrschluss gewagt, indem gefragt wird: Welchen Zugang haben Kinder zu einer kuenstlerischen Bildsprache, die eigentlich ihrer eigenen entspringt?

Die Vermittlungssituation in dem ausgewaehlten Kindergarten ist gepraegt von der Kompetenz der Erzieherinnen im Umgang mit Kinderzeichnungen und ihrem Interesse, die Bildmittel und theoretischen Ansaetze der Kuenstler kennenzulernen, um fuer sich und die Kinder eine Arbeitsbasis zu entwickeln. Im ersten Zugriff stellt sich Kandinskys Bild „Kleine Freuden“ (1913) als Favorit heraus. Bei Kandinsky finden sich Merkmale, die auch spezifisch fuer Kinderzeichnungen sind. Kompositionelle Uebereinstimmungen gibt es bei:

der Segmentierung der Koerper, den kreuzfoermigen Figuren, der freien Raumorientierung (gekippte Haeuser), der Vereinzelung von Motiven, der Ununterscheidbarkeit Vorder- und Hintergrund, den amorphen Farbwolken, den proportionalen Verzerrungen, den Verzerrungen, um die Figuren kompositorisch voneinander zu isolieren, dem Eindruck, dass jedes Element eine eigene Welt fuer sich hat, wie den gleichzeitigen Raumuebergaengen.

Die kunstdidaktische Konzeption entspricht einem offenen Diskurs, einem Hin-Her-Transponieren von kuenstlerischen und kindlichen Bildmitteln wie Sichtweisen.

Literatur:
Fineberg, Jonathan: Mit dem Auge - des Kindes. Kinderzeichnung und moderne Kunst. Katalog. Muenchen 1995
Fineberg, Jonathan (Hrsg.): Kinderzeichnung und die Kunst des 20. Jahrhunderts. Essayband. Muenchen 1995
Eichhorn, Herbert / Schenk, Isabell: KinderBlicke. Kindheit und Moderne von Klee bis Boltanski. Katalog. Staedtische Galerie Bietigheim-Bissingen 2001.
Schneede, Uwe M.: Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert, Muenchen 2001.

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