Bil_Rez_Texte ... Red. Scrollheim ... bildende Kunst, Buecher, Kataloge, Aktuelles ... Scrollheim # Index ...

Ana Dimke (ad), Ulrike Haussen (uh), Angela Koehler (ak), Peter Dimke (pd)

Kunstdidaktische Professionalitaet ... Andrea Dreyer
ComputerGestaltungsPaedagogik ... Daniela Reimann
Ein - Aus - Fuehrungen zur Vermittlung von Kunst ... Nigel Spivey
Kulturdidaktik in der Bilderflut ... Bering + Heimann + Littke + Niehoff + Rooch
Didaktische Kunststueckchen ... Cornelia + Kunibert Bering / Hrsg.
Eine Frau und ihre Kuenstler ... John Updike
Bilderaugen - Augenbilder ... Margarete Bruns
Ein Ratgeber fuer Kunstsammler u.a. ... Martin Leyer-Pritzkow / Klaus Sebastian
Auf der Suche nach dem Kuenstler ... Ulrich Pfisterer / Valeska von Rosen
Ausstellungen zur Kunst des 20. Jahrhunderts ... eine Uebersicht der Kataloge
Was ist Kunst? ... Andreas Maeckler
Pure Verehrung ... André Raffray
Kunst praktisch gesehen ... Kirschenmann + Schultz, J + F
Basislektuere ... Partsch + Reißer + Wolf, S + U + N
Kunst ohne Fragezeichen ... Prette + De Giorgis, M C + A
In einer idealen Galerie ... von Brauchitsch, Boris
Kunst bis heute, alt und neu ... Thomas, Karin
Alles ueber die Malerei des 20. Jahrhunderts ... Ruhrberg, Karl
Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert ... Schneede, Uwe M.
KinderBlicke / Kindheit und Moderne ... von Klee bis Boltanski
Vom Produkt zum Prozess ... Schmid, Karlheinz


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Kunstdidaktische Professionalitaet ... September 2006 / ad /

Eine qualitativ-empirische Studie zum Selbstverstaendnis von Kunstlehrenden in Gymnasien hat Andrea Dreyer vorgelegt. In ihrer Dissertation versucht sie auf der Basis von 12 Interviews, 6 Schuleiterfrageboegen, 6 Schulportraits und 67 protokollierten Kunstunterrichtsstunden Antworten in einem Forschungsfeld zu finden, dass bisher ein so genanntes Desiderat war. Im Focus stehen 4 selbstreflexive Faelle: „ Fall 1... der eigenen Kunst den Ruecken gekehrt/ Frau Maler: Lehren aus Entschiedenheit; Fall 2 ... eine schoen(st)e Nebensache der Welt / Frau Baum: Kunst als Vermittlungsgegenstand; Fall 3 ... Lehrerin sein dagegen sehr/ Frau Blume: Kuenstlerin als Lehrberuf ein dilemmatisches Zwischenspiel; Fall 4 ... Lehrer aus Berufung/ Herr Froehlich: Ein Paedagoge im musischen Fach.“ In ihrem Resuemee geht Andrea Dreyer gegen den vermeintlichen „Mythos vom Kuenstlerpaedagogen“ an und kommt zu dem Schluss, dass sich die Kunstdidaktik staerker an die Allgemeine Didaktik anbinden lassen muesse. Mit diesem Vorschlag begibt sie sich allerdings weg von der Bildenden Kunst in Richtung einer zweifelhaften Verwissenschaftlichung, die wahrscheinlich mit einer erhofften Aufwertung des Faches und seiner Vertreterinnen verbunden ist. Bildende Kunst kann jedoch nur vermitteln, wer an einer Akademie bei Kuenstlern und Kuenstlerinnen studiert und sich der Bildenden Kunst verschrieben hat. Ansonsten bleibt es im nachfolgend entwickelten Unterricht bei aesthetischen Uebungen, angesichts sich derer sich Kunstprofessoren zu Recht die Augen reiben, wenn sie bspw. die Auswirkungen in den Bewerbungsmappen fuer ein Kunststudium sehen. Die Diskussion um die Profession der Kunstlehrenden ist mit dieser Studie insbesondere in Bezug auf die Ausrichtung des Studiums wieder eroeffnet. Konkret sollte sie Kunst-Lehramtstudierende zur Arbeit in einer notwendigen Forschungsrichtung animieren.

Andrea Dreyer
Kunstpaedagogische Professionalitaet und Kunstdidaktik
Eine qualitativ-empirische Studie im kunstpaedagogischen Kontext
kopaed, Muenchen 2005
300 Seiten, € 19,80
ISBN 3-938028-62-8

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ComputerGestaltungsPaedagogik ... September 2006 / ad /

Wer Hilfe fuer seine „Mixed Reality-Lernraeume“ in der Schule sucht, findet sie vielleicht in Daniela Reimanns Dissertation zur Medienbildung. Die umfangreiche Darstellung eines BLK-Modellversuchs ArtDeCom von 2001-2003 in Schleswig-Holstein beschaeftigt sich mit der Integration der Faecher Kunst und Informatik, also dem Modellieren von Umgebungen durch das Programmieren lernen, und moechte ueber Praxiserfahrungen curriculare Empfehlungen geben. Ob im Zusammenhang mit einer technischen Ausbildung der Bedienung von Medien und Computern tatsaechlich Raum fuer kuenstlerisches Arbeiten im Unterrichtsalltag bleibt, wird nicht hinterfragt. Viel mehr wird offensiv und kritiklos fuer eine so genannte Medienpaedagogik geworben, was angesichts des laengst verblichenen NetArt-Hypes und des Zusammenbruchs des New Market zur Jahrhundertwende auch ein wenig verbluefft. Kunstdidaktische Reflexionen dazu, ob es tatsaechlich bspw. etwas wie Medien-Kunst geben kann, weil schließlich in der Kunst schon immer Material und Medien gebraucht und verwendet wurden oder warum bspw. die computergestuetzte Kunst mittlerweile wieder ein Phaenomen am Rande des Kunstbetriebs geworden ist, bleiben den nachdenklicheren Kunst-Lehrerinnen ueberlassen.

Der Gegentypus dazu ist der „zeitgemaeße Kunstpaedagoge“, der laut Reimann schon „um das Potenzial und die Bedeutung die technisch-informatorischen Inhalte“ weiß. Von ihr werden dann auch keine Argumente fuer die Legitimation des Faches Kunst geliefert, sondern sie plaediert fuer dessen Aufloesung zu Gunsten eines umfassenden technischen Gestaltungsbereichs. Hier bleibt nur der Gegenvorschlag zu machen, den Bereich des Design endlich an das Schulfach Mathematik anzugliedern, damit sich die Bildende Kunst mit ihrem geistigen wie konzeptionellen Potential besser entfalten kann.

Daniela Reimann
Aesthetisch - informatorische Medienbildung mit Kindern und Jugendlichen
Grundlagen, Szenarien und Empfehlungen fuer Gestaltungsprozesse in Mixed Reality - Lernraeumen
Athena Verlag, 2006
280 Seiten, € 29,50
ISBN 3-89896-249-0

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Ein - Aus - Fuehrungen zur Vermittlung von Kunst ... September 2006 / ad /

Bei Reclam sind zwei sehr unterschiedliche Einfuehrungen zur Kunst erschienen, die jedoch beide einen hohen Anspruch vor sich her tragen. Mit dem einfachen Titel „Kunst“ wird deutlich welch umfassendes Werk Georg W. Bertram mit seiner philosophischen Einfuehrung vorlegen will. Der Titel von Nigel Spivey uebertrifft diese schlichte Formulierung jedoch gerade zu blasphemisch „Wie Kunst die Welt erschuf“.

In 8 Kapiteln wird hier versucht einen Bogen von den ersten 30.000 Jahre alten bildlichen Zeugnissen zur Kunst der Gegenwart zu schlagen, um zu zeigen, dass die Geschichte der Kunst mit der Geschichte der Menschheit verknuepft ist. Aber: Wer macht eigentlich Kunst - außer der Mensch? Oder ist diese Frage, vor den vielen hervorragenden fotographischen Abbildungen zur Kulturgeschichte, falsch gestellt? Schließlich soll es um den Anlass und die Ausfuehrung von Bildern gehen, darum „wie sich die Menschen als Kunstschaffende betaetigen und wie die Kunst uns zu Menschen macht.“ Mit diesem quasi-philosophischem Impuls werden laut Klappentext „uralte Phaenomene betrachtet und faszinierende Geschichten aus allen Teilen der Welt“ erzaehlt. Begonnen wird die Zeit-Welt-Reise jedoch in der juengeren Vergangenheit mit der Geschichte um Joseph Beuys Entlassung aus Kunstakademie in Duesseldorf. Jener habe unter dem Motto „JEDER MENSCH IST EIN KUeNSTLER“ zu viele Studierende in seine Klasse aufgenommen und sei, weil sich geweigert habe „diesen Glauben aufzugeben“, entlassen worden. Danach sehen wir, als Beleg des Beuys-Satzes, eine Hand, bzw. das Foto vom „Bild einer Hand auf einer Felswand in Arnhem Land, Australien, nicht datierbar“, um ueber detaillierte Ausfuehrungen zur Physiognomie der Hand im Unterschied zu Primaten und deren kulturgeschichtlichen Auswirkungen, sowie einen Abschnitt ueber die Sammelleidenschaft eines Laubenvogels und eine falsche Darstellung von Duchamps Ready-made, wieder bei Beuys zu landen. Die Eingangsfrage zu Menschheits- und Kunst-Entwicklung erweist sich als rhetorische. Der populaerwissenschaftlich angelegte Pfad zur Kunstvermittlung geht davon aus, dass „allein wir Menschen die imaginative Kraft besitzen, Symbole zu erschaffen, nicht nur die Welt um uns herum darzustellen“. Es soll einen Weg aufzeigt werden, „ wie wir unser Begabung entwickelt und trainiert haben: die Faehigkeit, Geschichten zu erzaehlen, soziale Hierarchien aufzubauen, Verbindung mit der Umwelt aufzubauen, Ausdruck zu finden fuer das Uebernatuerliche, Bilder von uns selbst zu entwerfen – und uns unsere unausweichliche Sterblichkeit ertraeglicher machen.“ Zumindest der Buchtitel und das scheußlich-simple Cover werden, duerften damit erklaert sein.

Enger bei der Kunst und seinem philosophischen Hintergrund bleibt Georg W. Bertram. Wobei er ueber die Kunst im Allgemeinen spricht, also im Ueberflug alles meint Musik, Bildende Kunst, Literatur etc. Orientierung bieten ihm dabei die Aesthetik-Klassiker wie Hegel, Baumgarten, Kant, Heidegger, Adorno, und auch Goodman und Dewey. Seine aus philosophischer Perspektive aufgeworfenen Fragen, koennten, im Kunst-Unterricht gestellt, das Diskussions-Niveau entscheidend heben: „Es gibt Kunstwerke... gibt es sie wirklich?“ - „Die nahe liegende Frage: Was ist Kunst?“ – „ Wann ist Kunst? Auf dem Weg zu einem anti-essentialistischen Kunstbegriff“ – „Ist Kunst eine Institution?“ - „Welchen Wert hat die Kunst fuer uns?“ – „Noch ein Problem: Was ist der Wert der Kunst?“ – „Wie nach der Kunst fragen?“ Bertrams Intention „Kunst als Selbstverstaendigung“ zu begreifen, trifft ins Zentrum der Kunstdidaktik. Seine Thesen sind im Kontext der Kunstvermittlung zwar nicht neu, aber ihre Entfaltung ist fuer die Kunstdidaktik erkenntnisreich, da er von Verstehensprozessen ausgeht: „Kunst muss in irgendeiner Art und Weise verstanden werden. (...) Verstehen heißt unter anderem: Unterscheidungen treffen, Strukturen erfassen. Solches Verstehen findet auch dann statt, wenn wir nicht zu sagen wissen, dass und was wir verstanden haben.“ Sich mit solch einer „geistigen Angelegenheit“ (Hegel) zu befassen, ist die Aufgabe des Kunstunterrichts. In ihm soll vermittelt werden, was Bertram selbst nicht als Selbstverstaendlichkeit auffasst, naemlich, dass es in der Kunst nicht nur um Form und Inhalt eines bestimmten Kunstwerks geht, sondern um die Bildende Kunst insgesamt. Darueber hinaus geht es aus kunstdidaktischer Perspektive auch entscheidend darum Erfahrungen mit Kunst zu ermoeglichen, Bildungserlebnisse auszuloesen. Diesen Situationen, in denen „Kunst die Rezipierenden anspricht“, geht auch Bertram unter dem Begriff „Innenperspektive“ nach, ohne dabei allerdings Duchamps nun fast 100 Jahre altes Diktum zu erwaehnen: >Ce sont les regardeurs, qui font les tableaux (Die Betrachter machen die Bilder) <. In der Aesthetik wird Kunst zum philosophischen Problem des „interesselosen Wohlgefallens“ umgewertet. Damit waere wieder einmal die philosophische Entmuendigung der Kunst (Danto) belegt. Vielleicht laesst sich der aesthetische Zugriff aber auch als Kunst-Rezipienten-Philosophie verstehen. Der Philosoph vertieft als sich demnach als geschulter Theoretiker in ein Werk, um die Erfahrungen fuer andere vorbildlich zu explizieren, oder wie Bertram es formuliert: „So kann man die Philosophie der Kunst als eine Weiterentwicklung der Kunst verstehen, in dem Sinn, dass die Explikation aesthetischer Selbstverstaendigung dazu beitraegt, solche Selbstverstaendigung reichhaltiger zu erfahren.“ Mit dieser kunstdidaktischen Formulierung kann man den Ausfuehrungen durch die Philosophie-Geschichte folgen. Die einzelnen Positionen sind lehrreich auf den Punkt gebracht und sie erscheinen als Textpassagen im Kunstunterricht gut einsetzbar.

Nigel Spivey
Wie Kunst die Welt erschuf
Reclam Stuttgart 2006 29,90 €
288 Seiten, 133 Farbabbildungen
ISBN: 3-15-010592-7

Georg W. Bertram
Kunst. Eine philosophische Einfuehrung
Reclam Stuttgart 2005, 7,00 €
307 Seiten
ISBN: 3-15-018379-0

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Kulturdidaktik in der Bilderflut ... Maerz 2006 / ad /

Der Anspruch, ein Grundlagenwerk vorzulegen, laesst sich mit einer einfachen Titelgebung formulieren: „Kunstdidaktik“. Um diesen einzuloesen, stellen sich Kunibert Bering, Ulrich Heimann, Joachim Littke, Rolf Niehoff und Alarich Rooch gemeinsam der sogenannten „Bilderflut“. Dabei ist nicht eindeutig auszumachen, wer fuer was verantwortlich zeichnet. Mit ihren „Ueberlegungen zur Positionsbestimmung“ wollen sie Kunstpaedagogen Orientierung bieten. Da nur das Fach Kunst im Schulfaecher-Kanon, das Bild als solches problematisiere, wird bei ihnen der Kunstpaedagoge zum Experten fuer „Bildkompetenz“ und „visuelle Kompetenz“. Mit diesen Begriffen wird der aktuelle bildungspolitische Jargon aufgenommen, um sich oder auch die Belange das Fachs zu positionieren. Zentral geht es dem Autorenteam also weniger um die Vermittlung von Kunst, sondern darum das Fach eher im Sinne einer Kulturdidaktik, neuen Bereichen zu oeffnen: Bildwelten, Medienkompetenz und Kulturkompetenz. Wem das jetzt als allzu viel und eindeutiges Kompetenzgerangel erscheint, wird im Kapitel „Kunstorientierter Kunstunterricht“ bestaetigt. Fuer die Unterrichtspraxis bietet die Publikation zwar ein theoretisches Anregungspotential, aber wie am Beispiel der Beschreibung des „Beuys-Happenings“ deutlich wird, ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem dargebotenen Fachwissen nur unter Einbeziehung weiterer Quellen moeglich. Gerade bei der Darlegung von „Gestaltungsprozessen und produktiver Bilderschließungsmethoden“ verliert sich ein kunstdidaktischer Zugang und ein Lied von den Helden kommt der Leserin bei der schwerwiegend gemachten Kost in den Sinn: „Sie haben uns ein Denkmal gebaut ....“

Kunibert Bering, Ulrich Heimann, Joachim Littke, Rolf Niehoff, Alarich Rooch
Kunstdidaktik
Artificium - Schriften zu Kunst, Kunstvermittlung und Denkmalpflege, Bd. 15
Athena Verlag, 2004
273 Seiten, € 24,50
ISBN 3-89896-177-X

zum Thema sind beim Athena-Verlag in der Reihe Artificium - Schriften zu Kunst, Kunstvermittlung und Denkmalpflege weitere Publikationen erschienen:

Joachim Kettel
Kuenstlerische Bildung nach Pisa.
Neue Wege zwischen Kunst und Bildung
Hrsg. 2004
464 Seiten, 25,50 €
ISBN 3-89896-205-9

Kunibert Bering, Rolf Niehoff
Bilder. Eine Herausforderung an die Bildung.
Hrsg. 2005
222 Seiten, 18,50 €
ISBN 3-89896-215-6

Carl-Peter Buschkuehle, Jutta Felke
Mensch Bilder Bildung.
Hrsg. 2005
180 Seiten, 17,50 €
ISBN 3-89896-218-0


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Didaktische Kunststueckchen ... Januar 2006 / ak /

In der Einleitung der Publikation „Konzeptionen der Kunstdidaktik. Dokumente eines komplexen Gefueges“ wird die Frage beantwortet, was uns dieses Buch mitteilen will bzw. warum wir es benoetigen: Da die Heranwachsenden durch Medien einer zunehmenden Bilderflut ausgesetzt seien und das Umfeld des Menschen immer staerker von optisch wahrgenommenen Zeichen gepraegt werde, steigen die Anforderungen an die visuellen Wahrnehmungsfaehigkeiten, das fordere wiederum eine aesthetische Erziehung. In gegenwaertigen Theorien herrsche die Ueberzeugung vor, dass die Wahrnehmung kein Abbild der Welt liefert, sondern dass sich der Beobachter durch seine Wahrnehmung eine Wirklichkeit konstruiert. Schueler und Lehrer muessen lernen mit einer Vielzahl von Deutungsmoeglichkeiten im Klassenverband umzugehen und somit gelten fuer die Paedagogik heute veraenderte Aufgaben. Daher moechte das Buch in einem bestimmten, historischen Rahmen, die immer wieder neu getroffenen und zu treffenden didaktischen und paedagogischen Entscheidungen reflektieren, - so die Argumentation.
Am Inhaltsverzeichnis zum „komplexen Gefuege“ faellt sofort die chronologische Herangehensweise auf. Begonnen wird die gut getroffene Auswahl mit Originaltexten aus der wilhelminischen Zeit um 1900. Sie endet mit ausgesuchten Theorien zur Kunstdidaktik heute in der Zeit der „Postmoderne“. Dies erweckt leicht den Eindruck, dass auf 200 Seiten die Geschichte der Kunstdidaktik der letzten 100 Jahre kompakt vermittelt wird. Aber ist das so? Aus dem Vorwort erfaehrt man, dass eine zusammenfassende Darlegung der kunstdidaktischen Konzeptionen seit den 70er Jahren nicht mehr erschienen sei und solch eine Uebersicht gerade fuer Studierende und Referendare fehle. Das Buch liefert diese nicht vorhandene Zusammenstellung in Form von Textdokumenten, die jeweils epochaltypische Aeußerungen praesentieren. Diese zusammengetragenen Veroeffentlichungen von Autoren, wie Conrad Fiedler, Walter Gropius, Bernhard Rust, Herbert Read, Wolfgang Klafki, Abraham Moles, Christa Buerger, Gert Selle, Hans Dieter Huber u.a. sind stark verkuerzt abgedruckt. Kunibert und Cornelia Bering geht es vor allem, um die Vernetzung der einzelnen Textbeitraege sowie die Vernetzung der Kunstvermittlung mit ihren Bezugswissenschaften wie zum Beispiel der Philosophie. In der Auswahl der Dokumente liegt nun auch die eigentliche Leistung der Autoren. Hintergrundinformationen und Einordnungen werden von ihnen in einem jeweiligen Kopfregest geliefert. Diese kurzen kursiv gedruckten Hinfuehrungen sind oft aussagekraeftiger als die Texte an sich.
Waehrend der Lektuere stellt sich die Frage, ob nicht ein wertender Aufsatz in einer Fachzeitschrift mit den entsprechenden Literaturhinweisen einschlaegiger gewesen waere. In der Einleitung wird ohnehin auf die Originaltexte zur vertiefenden Literatur verwiesen. Wie der Untertitel des Buches verspricht, ist das Ganze also lediglich eine Sammlung von Dokumenten und kann als Grundlage fuer die eigentliche Recherche dienen.

Bering, Cornelia / Bering, Kunibert / Hrsg.
Konzeptionen der Kunstdidaktik
Dokumente eines komplexen Gefueges
Artificium - Schriften zu Kunst, Kunstvermittlung und Denkmalpflege, Bd. 12
Athena Verlag, 2003
208 Seiten, € 16,50
ISBN 3-89896-166-4


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Eine Frau und ihre Kuenstler ... Januar 2006 / ad /

Mit den Worten „Zu Beginn“, fettgedruckt und wohl bildhaft gemeint, leitet John Updike seinen Roman „Sucht mein Angesicht“ ein. Er besteht eigentlich nur aus einem Interview, dass eine Kunstjournalistin mit einer betagten und mehrmals beruehmt-vermaehlten Malerin fuehrt. Dies dauert einen Tag oder eben dreihundertundsechszehn Seiten lang. Wenn die ersten fuenfzig etwas ermuedenden Seiten ueberwunden sind, kann bei der Lektuere die Spannung aufkommen, die man braucht, um dieses Buch ueber die amerikanische Moderne zu Ende zu lesen. Geschildert wird das Leben beziehungsweise die drei Ehen einer Frau, die zunaechst mit einem Abstrakten Expressionisten (á la Pollock, der bei einem Autounfall stirbt), dann mit einem Pop-Art-Kuenstler (der sie wegen einer Pferdefluestererin verlaesst) und zuletzt mit einem Kunstsammler (neben dem sie endlich selbst zu ihrer Malerei findet) verheiratet ist.
Mit guten Vorwissen koennten die Figuren entschluesselt werden. In sich schillernd kann man die Charaktere nicht immer eindeutig einer, wohl aber verschiedenen realen Kuenstlerpersoenlichkeiten zuordnen. So tauchen Anekdoten auf, die man zu kennen meint. Dies ist nicht verwunderlich, denn in seinem Vorwort weist John Updike darauf hin, dass das was er schreibt nicht unbedingt wahr sei, aber das er sich bei „Jackson Pollock: An American Saga“ 1989 von Steven Naifeh und Gregory White Smith und bei „Abstract Expressionism: Creators and Critics“ 1990 herausgegeben von Clifford Ross bedient habe.
Letztere Anthologie kann als Standardwerk fuer den Kunstunterricht betrachtet werden. Kuenstlertheoretische Texte von und Interviews mit Willem de Kooning, Adolph Gottlieb, Philip Guston, Hans Hoffman, Franz Kline, Robert Motherwell, Barnett Newman, Jackson Pollock, Ad Reinhardt, Mark Rothko, David Smith Clyfford Still bieten einen tiefen Einblick in die Haltung der Kuenstler und das Klima der amerikanischen Kunstentwicklung von den 40ern bis in die 60er Jahre. Dieses Quellenstudium kann auch fuer Schuelerinnen und Schueler im Kunstunterricht spannender sein als die Lektuere des Kuenstlerromans. Dennoch: Updike versteht es seine Leser geschmeidig in die Atmosphaere und den Zeitgeist der Amerikanischen Moderne hineinzufuehren.

John Updike
Sucht mein Angesicht
Roman
Rowohlt, 2005
316 Seiten, € 19,90
ISBN 3-498-06881-4


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Bilderaugen - Augenbilder - ? - ... Oktober 2005 / ad /

Sind Bilder die Sprache des Unbewußten - ? - Unter dem hochgradig unter Kitschverdacht stehenden Titel „Die Weisheit des Auges“ macht sich Margarete Bruns auf den Weg zu den Bildern der Kulturen der Welt. Mit großer Geste breitet sie ihr reichhaltiges Bildermaterial aus, indem sie schreibt und schreibt und schreibt, vom bilidi dem Wunderzeichen, ueber die altaegyptische Bilderwelt, die kalligraphische Kunst Ostasiens, die perspektivische Darstellung der Renaissance bis in unser Jahrtausend hinein. Was zunaechst die aeußerliche Anmutung einer wissenschaftliche Vorgehensweise zu haben scheint, ist weit entfernt von einer akademischen Analyse. Am Anfang erscheint es der Leserin noch vergnueglich, sich auf eine unsinnige Suche nach dem Urbild zu begeben und sich ganz sprachbewußt einmal das bilidi zu vergegenwaertigen: „Das altsaechsische bilidi meinte Wunder(zeichen), Urbild, wahrer Sinn. Die Bedeutung *bil ist nicht ganz klar, aber sie koennte mit der Grundvorstellung geistiges Wesen, uebernatuerliche Kraft zu tun haben“. - ? - „Auch die Sprache bezeugt, dass es urspruenglich um Bilden im Sinne eines primaeren schoepferischen Aktes geht, waehrend ein Abbilden anscheinend erst relativ spaet von den Bildern erwartet wird. Das althochdeutsche Verb biliden bedeutete einer Sache Gestalt und Wesen geben. Das juengere bilidon will dann nur noch eine eine vorgebildete Gestalt nachbilden.“ Diese etymologischen Bedeutungen kann man sich merken, im Text selbst wird nicht mit ihnen weiter gearbeitet, sondern mit einem bunten Mix aus Kuenstlerzitaten, Beobachtungen von Kinderzeichnungen und kognitionspsychologischen Erkenntnissen aus der Mustererkennung, sowie aus der Hirnforschung einschließlich religioeser Motive aufgewartet, um schließlich bei der Einsicht zu landen: „Bilder sind Bilder sind Bilder autonome Wesenheiten.“ Waere nicht auf der naechsten Seite die Erzaehlung von der fuenfjaehrigen Tochter eines Hobbyarchaeologen, die mit ihrem Ausruf „Stiere“ auf die Zeichnungen in der Hoehle von Altamira aufmerksam machte und das unbestimmte Gefuehl, es ginge der Autorin zentral um das Sehen von Bildern, gleichgueltig wie sie entstehen, haette die Bildungswillige das Buch spaetestens jetzt bei Seite gelegt. -? - Nach rascherem Durchblaettern und laengerem Haengenbleiben des Blicks an schoenen, farbigen Abbildungen findet sich jedoch auch im letzten Kapitel ein zusammengetragenes Sammelsurium, dargestellt mit pseudophilosophischen Spruengen in einer teilweise plumpen Sprache mit schiefen Metaphern. Hinzukommt, dass die Autorin kein wirkliches Interesse an der Bildenden Kunst zu haben scheint, so versteigt sie sich beispielsweise dazu, in Pollocks Werk „Number 32“ nach Strichmaennchen zu suchen und, man reibt sich die Augen, dies zu allem Ueberfluss auch noch bildlich zu belegen. Alles fließt und muendet irgendwo weit weg von der Kunst, der Kunstgeschichte, der Kunstkritik: im Tal der ahnungslosen Bilder.

Margarete Bruns
Die Weisheit des Auges
Bilder in den Kulturen der Welt
Reclam, Stuttgart 2005
336 Seiten, € 22,90
ISBN 3-15-010563-3


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Ein Ratgeber fuer Kunstsammler und andere ... September 2005 / ad /

Ein bißchen gewollt humorig und laessig aber gleichzeitig gekonnt vermittelnd und unterhaltsam kommt „Das Kunstkaufbuch“ daher. Wer sich von dem, zwischen Pop und Schulbuchkitschigkeit schwankenden, Layout des Hardcovers nicht abschrecken laesst und die viel zu fette Schrift im Innern, die das Ganze auf ueber 60 Seiten aufblaeht, (von der farblichen Orange-Blau-Gestaltung ganz zu schweigen) ignoriert, bekommt tatsaechlich in 20 Minuten einen guten Grundkurs zur Gegenwartskunst geboten. Wie in der Einfuehrung versprochen, koennte sich die Rezipientin nach der Lektuere, wohl nicht ganz ohne Vorbildung aber mit einigen Kriterien an der Hand „ganz entspannt und aufgeschlossen mit einem unbekannten Kunstwerk beschaeftigen“. Wem selbst dieser Zeitaufwand zu groß ist, bekommt in der „Kurzform fuer Ungeduldige“ zehn Qualitaetsmerkmale von Werken aufgelistet: Emotionale Praesens, Dialogcharakter, Form und Inhalt, Vermittlung einer Erkenntnis, fragliche Aesthetik, Innovation, Gegenwartsbezug, Authentizitaet, Originalcharakter, mystischer Aspekt. Deren Anwendung in der daraufhin folgenden Kurzanalyse an einem Bild von Musa laesst die gestrafften Thesen allerdings etwas behaebig erscheinen, zumal sich knapp vor einem Fazit, was denn nun von dem Bin Laden als Nude zu halten sei, gedrueckt wird. Das vorgefuehrte Frage-Antwort-Spiel duerfte Kunstvermittlern bekannt sein und sie in ihren gaengigen Antworten bestaetigen. Dennoch wird auch fuer sie hier einiges auf den wunden Punkt gebracht, wie die Frage,... ob es tatsaechlich Kriterien oder Qualitaetsmerkmale von Kunst gibt? ..., ob Kunst Luxus ist? ... ,ob Kunst Spaß machen soll? „Kunst hat mit Geschmack nichts zutun“, wie Martin Leyer-Pritzkow und Klaus Sebastian zu recht betonen und deshalb braucht man ihnen auch nicht in ihrer Reklame zum Kunstkauf blind zu folgen. Im Gegenteil, sie glauben an den Betrachter als Interpret und seine konstitutive Rolle fuer die Kunst und ihren Betrieb. Angesichts solch herausgestellter Betrachtermacht sollten Kuenstler sich nicht beleidigt fuehlen, zu mal sie ja immer noch das schaffen, woran sich die sogenannten Kriterien bilden sollen. Zuviel vom Prozess der Kunst wird in diesem Buch auch nicht verraten – obgleich es ein brauchbarer Ratgeber ist. Wenn ambitionierter Kunstunterricht schon nicht jeden zum Kunststudium bringen kann, so waeren hier indirekt einige Bildungsstandards aufgelistet, die viele zu erfolgreichen Betrachtern werden lassen koennten. Denn das, was als Kunst gelten soll, bestimmen sie schließlich mit. Nicht nur durch ihr Kaufen und Sammeln, auch durch den Diskurs in der Bildenden Kunst.

Martin Leyer-Pritzkow + Klaus Sebastian
Das Kunstkaufbuch
fuer Sammler und solche, die es werden wollen
Prestel Verlag, Muenchen 2005
64 Seiten, € 12,95
ISBN 3-7913-3359-3

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Auf der Suche nach dem Kuenstler im Kunstwerk ... September 2005 / ad /

Das Aufgebot von 85 Selbstportraets, beginnt mit Vvolvinius, und fuehrt ueber van Eyck und Duerer, van Dyck, Gentileschi, Rubens, Rembrandt, Vigée-Le Brun, Courbet, Cézanne, Munch, Corinth, Duchamp, Hoech, Oppenheim, Beuys, Warhol zu Gonzalez-Torres, Cattelan und Richter. Die Vielfalt ist beeindruckend. 1000 Jahre Kunstgeschichte werden großformatig, großartig, großspurig dargestellt. Durch diese Fuelle entsteht der Eindruck der Rundumschlag haette lieber in einem Sammelordner praesentiert werden sollen, so koennte das Kompendium zumindest aeußerlich der impliziten Intention, ein Nachschlagewerk sein zu wollen, nachkommen. Die Werke und die Kuenstler werden in immer gleich lang gehaltenen Textbeitraegen in so unterschiedlicher Art und Verve beschrieben, dass der praesentierte Mix aus Gemaelden und Kleinkunstwerken, aus Zeichnungen und Buesten weniger zum Vertiefen, als zum lockeren Durchblaettern einlaedt. Neben der Frage, was das eine Portraet mit dem anderem zu tun hat, taucht eine weitere auf: Was ist eigentlich ein Portraetforscher? Der Klappentext gibt Auskunft: Er geht der Frage nach, wer die Person war, die hinter einem Werk steht und versucht zu ergruenden, in welchem kulturgeschichtlichen Kontext sie gelebt hat, wie die kuenstlerische Entwicklung verlaufen ist und welches Selbstverstaendnis sie hatte. Unter der These, das sich am besten am Selbstbildnis zeigen lasse, wie ein Kuenstler gesehen werden wolle, wurden die Werke ausgewaehlt. Bereits im Vorwort wird deutlich, die genaue Bildbetrachtung allein ist nicht hinreichend, wenn man sich dem Themenkomplex der Identitaet und Identifikation, die doch immer auch Fiktion ist, naehern will. Beschrieben wird die „Verlustgeschichte des Bildnisses und des Selbst“ seit Burckhardt. Leider finden kuenstlertheoretische Statements keine Beruecksichtigung. Dabei lassen sich nur ueber die Sprache und das Sprechen eines Kuenstlers seine Sichtweisen diskursiv fassen. Hinzukommt der Betrachtungsabstand, der immer groeßer zu werden scheint, je mehr der Kuenstler sich selbst zum kuenstlerischen Material macht. Das Selbst des Kuenstlers im Portraet, loest sich von der kuenstlerischen Persoenlichkeit und im Werk lagert sich jener Bedeutungsueberschuss ein, der es erst zu Kunst werden laesst. Ein privater Schnappschuß koennte dem neugierigem Personenforscher mehr Preis geben. Dieses schoen gedruckte Buch eignet sich durchaus als Materialsammlung fuer einen Oberstufenkurs und Kenner von 1000 Meisterwerken freuen sich bestimmt, einmal etliche Portraets hintereinander gebracht bekommen zu haben.

Hrsgb. Ulrich Pfisterer + Valeska von Rosen
Der Kuenstler als Kunstwerk
Selbstportraets vom Mittelalter bis zur Gegenwart
Reclam, Stuttgart 2005
208 Seiten, € 49,90
ISBN 3-15-010571-4

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Uebersichtsausstellungen zur Kunst des 20. Jahrhunderts ... eine Auswahl von Katalogen ... September 2004 / ad /

BILDERSTREIT.
Widerspruch, Einheit und Fragment in der Kunst seit 1960. Die Ausstellung des Museums Ludwig fand in den Reihnhallen der Koelner Messe 1989 statt. Zu recht beansprucht die Ausstellung einen Ueberblick dreier Jahrzehnte Kunstgeschehens, den kuenstlerischen Strategien und maßgeblichen Persoenlichkeiten zu geben und ebenso kann nachvollzogen werden, dass der Katalog von Siegfried Gohr und Johannes Gachnang mit seinem Textkonvolut unter Kennern heute als ein Grundlagenwerk gilt.
ISBN 3-7701-2372-7

STATIONEN DER MODERNE.
Die bedeutenden Kunstausstellungen des 20. Jahrhunderts. Die Exposition wurde 1989 von der Berlinischen Galerie Museum fuer moderne Kunst, Photographie und Architektur im Martin-Gropius-Bau organisiert. Die Idee und Konzeption von Eberhard Roters und Bernhard Schulz traegt auch heute noch. Durch das Studium der Publikation ueber eine Ausstellung von Ausstellungen kann man fuer sich das Kunstgeschehen bis in die sechziger Jahre hinein im Wesentlichen strukturieren.
ISBN 3-87584-256-1

DIE EPOCHEN DER MODERNE.
Kunst im 20. Jahrhundert. Die Zeitgeist-Gesellschaft zur Foerderung der Kuenste in Berlin e.V. fuehrte die Ausstellung 1997 im Berliner Martin-Gropius-Bau unter Christos M. Joachimides durch. Mit den Begriffspaaren Realitaet – Deformation, Abstraktion – Spiritualitaet, Sprache – Material, Traum – Mythos, wird dem Rezipienten ein Angebot zur Orientierung gemacht, mit dem er die Kunstentwicklungen des letzten Jahrhunderts kunsttheoretisch ordnen bzw. befragen kann.
ISBN 3-7757-0672-0

AMERIKANISCHE KUNST IM 20. JAHHUNDERT.
Malerei und Plastik 1913-1993. Die Royal Academy of Arts hat gemeinsam mit der Zeitgeist-Gesellschaft diese Ausstellung im Jahre 1993 erarbeitet. Herausgeber des Katalogs sind Christos M. Joachimides und Norman Rosenthal. In Bild und Text wird deutlich herausgearbeitet in welch großem Ausmaß die Kunst der USA das Kunstgeschehen des 20. Jahrhunderts beeinflusst und schließlich dominiert hat.
ISBN 3-7913-1240-5

METROPOLIS.
Internationale Kunstausstellung Berlin 1991. Die bekannten Akteure fuer aufwendige Projekte in der Metropole sind auch hier Christos M. Joachimides, Norman Rosenthal und die Zeitgeist-Gesellschaft der Ausstellungsort ist ebenfalls der Martin-Gropius-Bau. Diese witzige und nachdruecklich im Gedaechtnis gebliebene Ausstellung hat in den Tat den Geist der 90er erwischt. Die praesentierten Werke ermoeglichen nach wie vor einen guten Einstieg in den Kunstdiskurs der Gegenwart.
ISBN 3-89322-220-0

ZEITGEIST.
Internationale Kunstausstellung Berlin 1982. Veranstalter ist der Neue Berliner Kunstverein konzipiert wurde sie von Christos M. Joachimides und Norman Rosenthal. Aus heutiger Sicht wirkt die Ausstellung merkwuerdig auf die Neuen Wilden fokussiert, aber sie wird damit wohl ihrem Anspruch vollends gerecht.
ISBN 3-88725-086-9

KUeNSTLERINNEN DES 20. JAHRHUNDERTS.
Zur der, von Volker Rattemeyer und Renate Petzinger fuer das Museum Wiesbaden 1990 konzipierten Ausstellung ist eine einzigartige Ueberblickspublikation entstanden, die mit hochkaraetigen Exponaten, der Rolle der Kuenstlerinnen in der Kunst des 20. Jahrhundert Rechnung traegt.
ISBN 3-925272-26-7

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Was ist Kunst? ... Andreas Maeckler ... September 2004 / ad /

Vor siebzehn Jahren, am 17.9.1987, schreibt Fritz Billeter im TagesAnzeiger ueber den von Andreas Maeckler zusammengetragen Zitatenschatz zur Kunst unter dem Eindruck, dass hier nicht „glaeubige Bildungsbeflissenheit“ am Werke sei, sondern eher der glueckliche Geist des Amuesements waltet; „Was Kunst nun wirklich sei, weiß man nach der Lektuere vielleicht erst recht nicht, denn Maecklers Gewaehrsleute (aus zwei Jahrtausenden) widersprechen sich oft schroff und oft auf der selben Buchseite.“ Das Selektionsprinzip, das diesem Kompendium von 1080 Aussagen zu Grunde liegt, ist der jeweilige Versuch einer Definition, was an der Formulierung „Kunst ist...“ festgemacht wird. Alles andere ist beiseite gestellt und der Autor will sich dies auch nicht zum Vorwurf machen lassen. Nach der Einleitung nimmt er eine Zuordnung vor: Kunst – als Know-how, - als Ordnungssystem, - als Natur, - als Wissenschaft, - und Schoenheit, - und Metaphysik , - als spezifische menschliche Taetigkeit, - als Politikum, - als Kommunikation, - als Sublimation, - als Leben, - als Kunst.

In Art – dem Kunstmagazin - ist dann auch zum Erscheinen der Publikation ein Aufruf zu finden, der alle, die zitieren, koennen, muessen, wollen oder sollen vor „exzessiver Ausbeutung des Taschenbuchs“ warnt und zum „maeßigen Garnieren“ ihrer Reden und Texte mit den gesammelten „Lesefruechten“ raet.

Hier noch einmal einige Kostproben von bildenden Kuenstlern zum frommen Nutzen dargebracht:

¶ … Die Kunst ist eine Quelle des Erkenntnis wie die Naturwissenschaft, die Philosophie usw. Antoni Tàpies
¶ … Die Kunst ist nur Mittel der Erkenntnis. Bazon Brock
¶ … Die Kunst ist tatsaechlich nicht zu erlernen – ganz genau wie die schoepferische Arbeit und Erfindungskraft in der Wissenschaft oder in der Technik nicht gelehrt oder gelernt werden kann. Wassily Kandinsky
¶ … Kunst ist ein kompliziertes Phaenomen. Wassily Kandinsky
¶ … Kunst ist Intuition. Piet Mondrian
¶ … Kunst ist eine wertvolle Zeitverschwendung. Du verbringst dein Leben gut . Kunst ist die wichtigste Aktivitaet, die es gibt. Wenn du einen Fehler machst und etwas anderes wirst als Kuenstler, bist du verloren, gibt es keine Hoffnung fuer dich. Les Levine
¶ … Kunst ist eine geistige Taetigkeit des Menschen, wohl eine der allerersten und aeltesten ueberhaupt, sie ist sowohl bei Schaffenden wie bei Aufnehmenden vorhanden. Ernst Ludwig Kirchner
¶ … Kunst ist zuerst Vision nicht Expression. Josef Albers
¶ … Kunst ist Form. Formen heißt entformeln. Kurst Schwitters
¶ … Die Kunst ist eine Harmonie, die parallel zu Natur verlaeuft. Paul Cézanne
¶ … Ich kenne noch keine bessere Definition von Kunst als diese: Die Kunst, das ist der Mensch hinzugefuegt zur Natur, die er entbindet, die Wirklichkeit, die Wahrheit und doch mit einer Bedeutsamkeit, die der Kuenstler darin zum Ausdruck bringt ... Vincent van Gogh
¶ … Ein guter Rat : Arbeiten Sie nicht zu sehr nach der Natur. Kunst ist Abstraktion, holen Sie diese aus der Natur, indem Sie von ihr traeumen. Paul Gauguin
¶ … Die Kunst in ihre reinsten Form ist immer die kuehnste Trennung zwischen der Natur und der „Naturalitaet“ gewesen. Sie ist die Bruecke zur geistigen Welt. Franz Marc
¶ … Wir wissen alle, dass Kunst nicht Wahrheit ist. Kunst ist eine Luege, die uns die Wahrheit begreifen lehrt, wenigstens die Wahrheit, die wir als Menschen begreifen koennen. Pablo Picasso
¶ … Ein Neues habe ich gefunden: die wahre Kunst ist, Unwirklichkeit ueben. Lovis Corinth
¶ … Ich sage bloß, Kunst ist eine Taeuschung. Marcel Duchamp
¶ … Viele schmutzige Haende haben mit der Schoenheit gespielt und sie auf ihre Fahnen geschrieben. Am liebsten moechte ich diese Haende abhacken, denn ich glaube wirklich an diese Fahne..., der Unterschied ist, dass Kunst Schoenheit ist .... John Cage
¶ … Kunststuecke koennen, ist keine Kunst. Emil Nolde
¶ … Kunst = KAPITAL. Joseph Beuys
¶ … Kunst ist ein hartes Geschaeft, und man geht drauf oder man schafft´s. Daniel Spoerri
¶ … Bitte, meine Herren, Kunst hat mit Geschmack nichts zu tun, Kunst ist nicht da, dass man sie „schmecke“. Max Ernst
¶ … Kunst ist ueberfluessig. Ben Vautier
¶ … Dan due kunst ist gros, schwer vnd gut, vnd wir muegen vnd woellen sue mit grossen eren jn lob gottes wenden. Albrecht Duerer
¶ … Kunst = Mensch. Joseph Beuys
¶ … Kunst immer eine oeffentliche Sache. Manche verstehen besser, was ein Kuenstler erreichen will als andere, das entzieht sich der Einflussnahme. Man stellt die Arbeit aus, und die Leute reagieren darauf. Robert Morris
¶ … Kunst = Mensch = Kreativitaet = Freiheit. Joseph Beuys
¶ … Kunst ist eine politische Waffe. Carl André
¶ … Die Kunst ist keine Unterwerfung, sie ist Eroberung. André Breton
¶ … Kunst ist Leben, Leben ist Kunst. Timm Ulrichs
¶ … Kunst ist Leben und Leben ist Kunst. Situationistische Internationale
¶ … Das was man ueber Kunst sagen kann ist eines. Kunst ist Kunst-als-Kunst und alles andere ist etwas anderes. Kunst-als-Kunst ist nichts anderes als Kunst. Kunst ist nicht was Kunst nicht ist. Ad Reinhardt
¶ … Kunst ist die Definition von Kunst. Joseph Kosuth
¶ … Kunst ist etwas Eignes. Gerhard Richter
¶ … Was ist Kunst. Timm Ulrichs

Maeckler, Andreas
Was ist Kunst? 1080 Zitate geben 1080 Antworten
Dumont, Koeln 1987
232 Seiten, 16,80 DM
1. Auflage, softcover
ISBN 3-7701-2015-9

Was ist Kunst? 1000 Antworten
2. Aufl. 2003, 200 S. mit 20 einf. Abb.
H 21,0 x B 13,5 cm, broschiert
Erscheinungsjahr: Herbst 2003
€ 10,00 (D) / sFr. 19,90
ISBN 3832154205

www.dumontliteraturundkunst.de

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Pure Verehrung ... André Raffray ... September 2004 / ad /

Auch wenn man nicht nachvollziehen kann, warum es Sinn machen sollte, gerade die Werke von Duchamp nach zu malen, so erstaunt einen doch die Energie und Penetranz, die Akribie und Penibilitaet mit dem Andre Raffray hinter anderen Kuenstlern und ihren Werken her ist, um sie, die anderen, zu loben. Die Bilder, wie anhand einer Fotodokumentation zu den Desmoiselles d´Avignon demonstriert, werden nicht mit Duktus und Schwung malerisch nachvollzogen, sondern in das Medium der Bunstiftzeichnung ueberfuehrt. Abschnitt fuer Abschnitt wird abgearbeitet. Mit dieser Konstruktion soll dem jeweiligen Motiv von Mondrian, Cézanne, Matisse oder Seurat nachgespuert werden. Raffray begibt sich fuer den nachzuahmenden kuenstlerischen Blick auf aufwendige Reisen. Ausgestattet mit fotografischen Equipment passt er sogar Tageszeiten und Stimmungen an den Orten ab. In ihrer Rezension fuer DIE ZEIT vom 11.3.1999 bringt Ursula Bode inniges Verstaendnis fuer den „Augentaeuscher“ auf. Sie findet die „die Realitaet einer Zeichnung, die Wirklichkeit eines wiedergefundenen Ortes, die Genauigkeit und Sorgfalt verehrender Zuneigung, die Demut eines Außenseiters, der obsessiv mit seinem Thema umgeht“ anziehend. Das der Zeichner schon frueh viel gelobt worden ist, zeigen auch die im Buch abgedruckten Briefe des Lehrers von Raffray, von der École A.B.C. de Dessin. An ihnen ist ablesbar, wie man einen Schueler eng an Vorgaben bindet und zur Disziplin in der Ausfuehrung anhaelt.

André Raffray
Lob den anderen
Eloges des autres
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Bonn 1999

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Kunst praktisch gesehen ... Johannes Kirschenmann + Frank Schulz ... August 2004 / ad /

Geschrieben fuer den Gebrauch im Kunstunterricht in der 11. Klasse, unter dem Anspruch Lust zur eigenen praktischen Taetigkeit zu wecken, wird in diesem Buch ein bunter Beispiels-Reigen verschiedener kuenstlerischer Positionen vorgestellt. Unter dem Titel „Praktiken der modernen Kunst" sind Johannes Kirschenmann und Frank Schulz bestrebt, verschiedene Aspekte kuenstlerischer Vorgehensweisen aufzuzeigen und eine praktische Uebersichtlichkeit herzustellen. Der Ansatz, kuenstlerische Prinzipien zu fokussieren und knapp anzureißen, erscheint fuer die Konzeption und Durchfuehrung von Unterrichtseinheiten praktikabel und zeitgemaeß.

Am einleitenden Zitat von Arnold Hauser, jeder kuenstlerische Ausdruck setze ein technisches Verfahren voraus, laesst sich die praktische Intention des Buches ablesen. Ausgehend von der redundant wirkenden Spruchweisheit „Kunst kommt von Koennen“ wird versucht, argumentativ ueber das Besondere der Kuenstler in der Moderne zu landen. Ihre jeweiligen kuenstlerischen Vorgehensweisen werden hier Praktiken genannt. Das Bildende der Kunst wird unter dem Anfuehrungsstrichen des „sogenannten“ beiseite geschoben und damit die Theorie, nicht nur die der Kunst, sondern auch die der Bildung. Der Begriff Bildende Kunst beruht bekanntlich auf einer Verknuepfung von Bild und Bilden bei Herder. Gemeint ist hier nicht das Gestalten eines Werks, sondern die bildende Wirkung der Kunst auf den Menschen. In diesem analytischen Lichte ist wohl auch der andernorts ebenso erschoepfend haeufig, wohlweislich aber nur zur Haelfte zitierte Spruch Goethes: „Bilde Kuenstler! Rede nicht! Nur ein Hauch sei dein Gedicht.“ - zu sehen.

Betont man die Praxis der Kunst, so koennte man das Feld der konnotativen Bedeutung auslotend fragen: Ist Kunst eine Praxis? Laesst sich Kunst praktizieren? Ist Kunst praktikabel? Was zeigt, dass kuenstlerische Vorgehensweisen zwar beschrieben werden koennen, aber sie immer auch kommentarbeduerftig, also vor der jeweiligen Kuenstlertheorie und dem Kunstbegriff zu sehen sind. In Folge koennte dann von kuenstlerischen Strategien und Konzeptionen die Rede sein, und damit kunstdidaktisch ein philosophical turn vollzogen werden.

Das Motto „Praktiken“ verweist auf die Materialorientierung beziehungsweise den Arbeitsprozess und legt sich auf eine Begrifflichkeit fest, die nach kunstpaedagogischem Fachjargon klingt. Wobei fuer manche Leserin bei diesem Ausdruck durchaus das Sexuelle mitschwingen moechte. Leider profitiert das Schulbuch von dieser Assoziation wenig, denn das Material wirkt auf den ersten Blick etwas hastig und lieblos zusammengestellt, so als ob es sich um Notizen, Fundstuecke, Zitate handelte, die sich als Textmaterial oder zur Ausarbeitung von Unterrichtsvorschlaegen auf dem Schreibtisch angesammelt haben und nun sortiert zum Tragen kommen sollen: kurze Erlaeuterungen und Bildbeschreibungen, eine Vielzahl von Zitaten, Abbildungen von unterschiedlicher Anmutungsqualitaet und ein paar knappe Handlungsanweisungen zur Nachahmung fuer den schnellen Lehrer bzw. dessen Schueler, wie man sie aus der eher praktizistisch angelegten Fachzeitschrift Kunst + Unterricht kennt.

Die Auswahl der kuenstlerischen Positionen erscheint willkuerlich, das evoziert Fragen wie: Steht deshalb immer ein vorsorgliches "zum Beispiel" davor, wenn ein Kuenstler angefuehrt wird? Warum wird ein Atelierbesuch bei Werner Tuebke so zentral dargestellt? Warum werden Duchamps Readymades (wider besseren Wissens?) unter der Rubrik Objekte praesentiert? Wie kurz eine an Praktiken orientierte kunstdidaktische Vorgehensweise greifen kann, zeigt sich an der Vermengung der Ready-mades mit Picasso Plastiken. Die dazugehoerige Handlungsanweisung lautet: „Stellen Sie selbst ein Objekt her, indem Sie alltaegliche Dinge in neue Zusammenhaenge bringen wie Marcel Duchamp oder einer neunen Verwendung zufuehren wie Pablo Picasso.“ Hier zeigt sich die grundsaetzliche Problematik mit der Nachahmung einer Kuenstleraesthetik in der Schule zu arbeiten. Einerseits erscheint es durchaus sinnvoll, zu vermitteln und erfahren zu lassen, dass buchstaeblich alles im Laufe des letzten Jahrhunderts zum kuenstlerischen Material gemacht worden ist, anderseits kann im vereinnahmenden, aesthestischen Aktionismus die geistige, strukturelle Auseinandersetzung mit Kunst, als das andere, welches eben nicht wiederholt, sondern staendig anders gedacht, gesehen und gemacht werden muss, versacken. Eine Einweisung in den kuenstlerischen Nachvollzug kann den Kunstunterricht grundieren und einen Einstieg in die eigene Arbeitsweise vorbereiten, indem man darauf setzt, das Lernende, aehnlich wie Frank Stella, irgendwann einfach keine Lust mehr haben die Werke anderer nachzumachen, sondern selbst etwas formulieren wollen. Ein Vorteil des Durchdeklinierens des Schon–Dagewesenen liegt darin, das man eben nicht staendig Bereits-Erfundenes oder -Gemachtes fuer sich neu erfinden oder machen muss.

Die Kategorisierung der sogenannten Kunstpraktiken nach Prinzipien wie Collage, Objekt, Zufall, Raum, Aktion, Konzept, technische Medien, sichert noch keine Diskursivitaet, die kann aber jeder Lehrende durch Auswahl und Kontextualisierung des Dargebotenen schließlich selbst herstellen. Beim Gebrauch des Buches draengt sich dann auch mehr Theorie als angekuendigt ins Bild und die Drohung, zu ganz unmittelbarem Verstehen fuehren zu wollen, loest sich in der verstaendlichen Anleitung zum ersten Umgang mit Kunst auf.

Kirschenmann + Schulz
Praktiken der modernen Kunst
Kunst praktisch gesehen
Ernst Klett Schulbuchverlag, Leipzig 2003
136 Seiten, 16,73 Euro
2. Auflage, softcover, div. farb. Abb.
ISBN 3-12-205410-8
www.klett-verlag.de

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Basislektuere zur Bildenden Kunst ... Susanne Partsch, Ulrich Reißer + Norbert Wolf ... August 2004 / ad /

Nimmt man ein gelbes Reclambuechlein zur Hand, so wird einem das unglaubliche Preis-Leistungsverhaeltnis bewusst, mit dem dieser Verlag seit Jahrzehnten seinen Beitrag zur Aufrechterhaltung unserer Kultur, besonders in Sachen Literatur, Dramen wie Epen nebst Materialien liefert. Bereits in der Schule wird man an dieses erschwingliche Format herangefuehrt und wissenschaftspropaedeutisch auf das vorbreitet, was einmal studiert werden koennte. Im Erwachsenenalter bleibt der Eindruck des Puren und Glaubhaften sentimental bestehen und auch eine hoch gestimmte Erwartungshaltung, wenn zwei neue Publikationen die eigene „Universal-Bibliothek“ bereichern sollen. So koennen die Baende Kunst-Epochen 20. Jahrhundert I. und II. zwar nicht mit Abbildungen protzen, aber die Fuelle des zusammengetragenen Wissens kann mit seinem Detailreichtum beanspruchen Basislektuere zu sein.

In der Einfuehrung zum Band I setzt sich Susanne Partsch mit der Un-Moeglichkeit auseinander, eine Uebersicht der ersten fuenf Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts geben zu koennen. Verantwortlich ist der Lauf der Geschichte. Zu viele parallele Ereignisse in der Kunst, Stroemungen, die sich abwechselten, bekaempften, durchdrangen, machen es der aufmerksamen Beobachterin schwer, angesichts des „Stilpluralismus“ eine komplette Zusammenfassung zu liefern. Zwei Aspekte stellt sie zur Orientierung gesondert heraus: die Antiposition zu autoritaeren, tradierten Strukturen, die zu „vermeintlich“ neuen Kunstauffassungen fuehrt und den Individualismus, der zur Originalitaet verpflichtet. Vom Monte Verità aus sieht Partsch auf die sich entwickelnde Ideengeschichte der Kunst und ihre Verbindung zum Leben. Ebenso, wie den in seiner bildenden Bedeutung der Aufbruchsstimmung immer noch nicht genuegend ins kulturelle Bewusstsein gerueckte Huegel von Ascona, betont sie den Platz, den Bildende Kuenstlerinnen historisch einnehmen muessten. „Die Geschichte der Kunst der ersten Haelfte des 20. Jahrhunderts ist auch eine Frauen-Kunst-Geschichte, was so lange betont werden muss, bis sich die immer noch maennlich dominierte Kunstgeschichte endlich darauf verstaendigt hat, die Werke der Frauen ebenso zu wuerdigen wie die der "genialen Maenner"!“ Ueberprueft man diese emanzipatorische Haltung, indem man die ebenso kenntnisreich wie dynamisch geschriebene Abhandlung zu den Gattungen ueberspringt, an dem Zahlenverhaeltnis, der in diesem Buch mit Einzelabschnitten bedachten Maennern und Frauen, so kann man sich allerdings je nach geschlechtlicher Mentalitaet beruhigt oder enttaeuscht zuruecklehnen – der Kuenstler ist und bleibt dominant.

Band II wurde von zwei Maennern konzipiert und geschrieben. Auch hier begegnet der Leserin im Vorwort zunaechst eine Entschuldigung, dass nur Fallstudien dargestellt werden koennen. Unter diesem bescheidenen Anspruch werden von Ulrich Reißer und Norbert Wolf 50 Jahre der juengeren Kunstgeschichte so entfaltet, das sie subjektiv gesehen durchaus klassisch komplett wirken. Malerei, Plastik, Objekt und Installation sind die Leitbegriffe, unter denen die Einfuehrung in die Zeit gelingt, die Postmoderne genannt wird, wobei auch die Autoren einraeumen, dass man nicht genau sagen kann, was damit eigentlich gemeint sei. Deutlich wird, wie im „komplexen Gefuege Kunst“ letztlich alles zum kuenstlerischen Material werden kann. Damit verbunden ist eine Abwertung konventioneller aesthetischer Formen, es treten andere Strategien auf den Plan, die sich mit dem System Kunst selbst auseinander setzen. „Ihr Protagonist war und ist Marcel Duchamp.“ Reißer und Wolf sprechen zu Recht vom Duchamp-Effekt, der auch eine Aufwertung der Rolle des Betrachters nach sich zieht. Unter der erfrischenden Prognose, dass sich „das Karussell der institutionalisierten Kunst“auch im Medienzeitalter munter weiter dreht, werden die folgenden 400 Seiten zu einem lehrreichen Vergnuegen. Die in beiden Baenden Raum greifend erwaehnte Architektur wurde in dieser Besprechung beiseite gelassen.

Zusammenfassend bestaetigt sich, dass Anspruch und Wirklichkeit der kleinen gelben Buecher immer noch uebereinstimmen - fuer Schule, Studium, Beruf und Freizeit: absolut „empfehlenswert“.

Partsch, Reißer + Wolf
Kunst-Epochen
Band 11 20. Jahrhundert I von Susanne Partsch
Band 12 20. Jahrhundert II von Ulrich Reißer und Norbert Wolf
Philipp Reclam jun. Stuttgart 2003
355 Seiten, 8,00 Euro / 444 Seiten, 9,00 Euro
ISBN 3-15-018178-X
ISBN 3-15-018179-8
www.reclam.de

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Kunst ohne Fragezeichen ... Maria Carla Prette + Alfonso De Giorgis ... August 2004 / ad /

Blaettert man die aufwendige, reichhaltig bebilderte, hervorragend gedruckte Hardcover-Publikation von Maria Carla Prette und Alfonso De Giorgis auf, so fuehlt man sich gleich zum lexikalischen Stoebern animiert und zum amuesiert verweilenden Betrachten eingeladen: Renoirs Bildnis Jeanne von 1877, ein Stillleben von Morandi von 1940, Ingres Napoleon I. auf dem Kaiserthron, eine Miniatur des Sachsenkaisers 0tto III. aus dem 10. Jahrhundert und eine Abbildung des dritten Sargs in massiven Gold von Tut-ench Amun treffen auf einer Doppelseite aufeinander. Laesst man die Seiten mehrfach ueber die Daumen gleiten, zeigen sich Bilder unterschiedlicher Kulturen, Pyramiden, Filmstills, Verkehrsschilder, Comics, sich reckende Voegelkuekenhaelse, die Laokoongruppe, Himmelfahrt Mariens, barocke Hoefe, Pointillismus, Benetton, Pop Art, Farbe in der Natur, chinesische Tempel, Guernica, Kinder im Luftschutzgraben, Architektur. Viele bunte Graphiken scheinen das Gesehene erlaeutern zu wollen. Auf den letzten Seiten befindet sich noch ein Glossar, in dem beispielsweise auch der Begriff Tattoo erklaert wird. Klappt man ob dieses Rundumschlags den Waelzer erstaunt wieder zu und schaut noch einmal nach dem Titel, so steht einem das Fragezeichen, das dort zu fehlen scheint, ins Gesicht geschrieben: „Was ist Kunst“. Der Untertitel „Bauwerke, Skulpturen, Gemaelde, Epochen und Stile erkennen und verstehen“ suggeriert, es koenne sich um ein Lehrbuch handeln. Das Inhaltsverzeichnis ist entsprechend uebersichtlich gegliedert. Doch angesichts des bunten Durcheinanders muss der Grad der Oberflaechlichkeit und Diffenziertheit dieser Publikation von jedem Rezipienten selbst getestet werden, wenn er sie verwenden will.

Prette, De Giorgis
Was ist Kunst
Epochen und Stile erkennen und verstehen
Kaiser, Klagenfurt 2004
432 Seiten, Sonderpreis 15,00 Euro
hardcover, div. farb. Abb.
ISBN 3-7043-9011-9
www.kaiserverlag.com

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In einer idealen Galerie ... Boris von Brauchitsch ... August 2004 / ad /

„Ich lese nie, ich sehe mir nur Bilder an.“ Mit diesem Statement Andy Warhols auf dem Schutzumschlag wird die von Boris von Brauchitsch vorgestellte Galerie des 20. Jahrhunderts eingelaeutet. Ironie oder Hoffnung, was schwingt da mit, wenn im Klappentext weiter von einer „idealen Galerie“ die Rede ist, die das Kunstgeschehen erkennen laesst, welche der „Traum eines jeden Kunstliebhabers“ sei?

Tatsaechlich sind hier wie versprochen sehr uebersichtlich 100 „Meisterwerke“ versammelt. Der Text auf der linken Seite bezieht sich auf das abgebildete Werk zur rechten. Die brillante Druckqualitaet korrespondiert mit den gerechterweise jeweils gleich lang gehaltenen Texten, denen ein beige unterlegtes Kaestchen mit der Ueberschrift "Ereignisse der Geschichte" beigefuegt worden ist. Das Layout zwischen Katalog und Lehrbuch koennte den ein oder anderen Dozierenden dazu verfuehren, DinA4 – Kopien zu ziehen. Geht der aeußere Umschlag verloren, so praesentiert sich das Buch auf Deckel und Ruecken in schlichtem Orange ohne Schrift, womit wir wieder bei der Frage nach der Bedeutung des eingangs erwaehnten Wahrhol-Zitats waeren. Ist die erste vorangestellte Abbildung, "L.H.O.O.Q." Duchamps Postkarten-Schnurrbart-Mona-Lisa, ein weiterer Hinweis zur Lektuere? „Kunst hat mit Geschmack nichts zu tun.“(Max Ernst) lautet das Zitat zum Vorwort. Von Brauchitsch versichert darin glaubhaft, dass es sein Anliegen sei, Kunstwerke zu praesentieren, die „rueckblickend Ausdruck ihrer Entstehungszeit sind und etwas spiegeln vom Geist einer bestimmten Epoche“. Intendiert ist auch ein „verbindendes Netzwerk“ darzustellen, dies soll durch „die Bildfolge, die Texte, die Aussagen der Kuenstler und Kritiker sowie die Verweise auf historische Ereignisse“ geschehen. Es fehlt also der verbindende Text, eine Erzaehlung zu dieser subjektiv gefaerbten, vorgestellten Galerie. Wurde sich um eine nachvollziehbare kunstwissenschaftliche Begruendung der Auswahl gedrueckt? Dies koennte als erfrischend unakademisch aufgefasst werden, dafuer kommen jedoch die einzelnen Bildbeschreibungstexte gerade wegen fehlender Fußnoten zu schlicht daher. Den Diskurs der Kunst muss der Rezipient also selbst betreiben, aber dafuer wird er hier fuer den ersten Ueberblick mit Bild und Text gut bedient.

von Brauchitsch, Boris
Galerie des 20. Jahrhunderts
100 außergewoehnliche Meisterwerke
Dumont, Koeln 2003
216 Seiten, 12,90 Euro
hardcover, div. farb. Abb.
ISBN 3-8321-7342-0
www.dumontliteraturundkunst.de

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Kunst bis heute, alt und neu ... Karin Thomas ... August 2004 / ad /

Mit ihrer Stilgeschichte der bildenden Kunst im 20. Jahrhundert hat Karin Thomas einen Klassiker geschrieben, der in keinem kunstinteressierten Haushalt fehlen duerfte. Wegen dieses Bekanntheitsgrades koennte es sich also lohnen, eine aeltere mit der gerade erschienenen neusten 12. Auflage zu vergleichen. Das Nachschlagewerk hat ein ansprechenderes gelbes Cover bekommen, das immer noch, allerdings nun mehr allein, Robert Indianas LOVE- Ikone und das Frauengesicht Roy Lichtensteins zieren, auf der Rueckseite bestaetigt ein Videostill von Pippilotti Rist den Anspruch auf Aktualitaet. Die Widmung fuer Ruediger T. wurde auf schlicht Ruediger gekuerzt. Das uebersichtliche Inhaltverzeichnis ist mit Angabe der Kapitel- und Zwischen-Ueberschriften bis zur Seite 308 genau gleich geblieben. Die Abweichung danach erklaert sich leicht. Es sind ein paar Abbildungen von Werken hinzugekommen, wie Kippenbergers U-Bahn-Eingang oder Nan Goldins „Jimmy Paulette on David’s Bike“. Die Bilder befinden sich nach wie vor gebuendelt in Farbe oder schwarz-weiß an vier Stellen des Buchs. Weitere Graphiken sind in den Text eingestreut. Dem letzten Kapitel „Pluralitaet der Zeichen – postmodernes Bewusstsein“ ist ein dritter Abschnitt „Ausweitung und Interferenzen der kuenstlerischen Medien“ hinzugefuegt worden, in dem Fotografie, Video und Cross-over thematisiert werden. Das dem Buch vorangestellte Glossar der Fachbegriffe ist etwas erweitert, jedoch nicht wirklich verbessert worden, so ist beispielsweise unter Ready-made nach wie vor folgende fehlgehende Beschreibung zu finden: „Von Marcel Duchamp 1915 erstmalig bewusst praktizierter Akt in der Kunst, der vorgefundene, oft industriell produzierte Gebrauchsobjekte ohne oder mit geringfuegiger Veraenderung in der Erscheinung mit Titeln versah und zum Kunstwerk erklaerte (>Fontaene<)“; - bis heute.

Thomas, Karin
Bis heute
Stilgeschichte der bildenden Kunst im 20. Jahrhundert
Dumont Koeln 2004
ca. 440 Seiten, 22,90 Euro
11. Aufl. 2000. mit 104 farb. Abb.
H 20,5 x B 15,0 cm, kart.
ISBN 3-8321-1939-6
www.dumontliteraturundkunst.de

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Alles ueber die Malerei des 20. Jahrhunderts ... Karl Ruhrberg ... August 2004 / ad /

In einem pflegeleichten Gummieinband ueber dessen aesthetische und haptische Qualitaeten sich streiten laesst, praesentiert sich ein neues Standardwerk zur Malerei des 20. Jahrhunderts. Blaettert man den 840 Seiten starken Band durch, so meint man einen Kunstkatalog vor sich zu haben und wuenscht sich zu jedem der neun Kapitel haette eine Ausstellung, wie dargelegt, stattgefunden. Angesichts des gleichmaeßig voranschreitenden Textes, der sich nicht im Theoretischen verheddert, und des zur Anschauung gebrachten Bildmaterials, erscheint es nicht lohnend, Fragen nach der Konzeption oder der Auswahl der Kuenstler zu stellen, die Vielfalt erschlaegt die Kommentarbeduerftigkeit. Der hermetische Block besagt: Das ist es und es ist gut so.

Ruhrberg, Karl
Kunst des 20. Jahrhunderts
Teil I, Malerei, Hrsg. Ingo F. Walther
Taschen, Koeln 2000
ca. 840 Seiten, div. Abb. geb. 29,99 Euro
ISBN 3-8228-6029-8
www.taschen.com

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In 24 Stunden durch die Moderne ... Uwe M. Schneede ... Juni 2002 / ad /

Will man schon im ersten Zugriff etwas ueber die Bildende Kunst und deren Entwicklung lernen - so macht man sich auf die Suche nach einem Einfuehrungswerk. Uwe M. Schneedes "Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert" liefert klar gegliedert, praezis wie angenehm subjektiv geschrieben einen Ueberblick voller Details.

Diese Geschichte koennte als Lehrbuch fuer Kunst-Leistungskurse empfohlen werden und dies ist nicht abwertend gemeint, im Gegenteil: Schneede wagt es mit seiner Zusammenfassung eine innere Entwicklungslogik auszubreiten, an der sich Lernende wie LehrerInnen mit ihren Vorwissen anheften und eine MerkStruktur aufbauen koennen.

Schneede beginnt mit Visionen, beschreibt Verwilderungen, stoesst auf Formfragen, zeigt das Inne-werden und den Aktionismus, wirft die Frage nach dem Werk auf und erklaert bildnerische Verfahren. Immer wieder taucht Picasso auf, aber auch Duchamp bekommt seinen Platz. Zwischen Figuration und Atelier finden sich biographische Stuecke. Der ausserkuenstlerische Versuch die Moderne auszuloeschen bleibt wohltuend knapp gefasst, stattdessen wird ausfuehrlich das Sublime der fuenfziger und der AlltagsPop der sechziger durchstriffen. Nach dem Ausstieg wird der Einstieg in die Kunst als Malerei vorgefuehrt, Beuys und Nauman werden dazwischen positioniert.

Was zu kritisieren waere, wenn man sich nicht zu schnell beeindrucken lassen will, sind: die etwas zu geraffte Zusammenfassung von den letzten 40 Jahren Kunst und die Verve mit der das Buch geschrieben ist, denn Suggestivitaet laesst wenig gedanklichen Raum fuer Gegenthesen. Schneedes Stil verfuehrt zum beschleunigten LektuereTempo, so dass man nach einer Tag- und Nacht-Schicht die LeseReise quer druch die Moderne schaffen koennte.

Schneede, Uwe M.
Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert
Von den Avantgarden bis zur Gegenwart
Verlag C.H. Beck, Muenchen 2001
ca. 270 Seiten, ca. 130 Abb. geb. 29,90 Euro
ISBN 3-406-48197-3
rsw.beck.de > Schneede >


und (...) was schreiben die anderen so ?

"Die Lust am Experiment, die Neugier bei der Suche nach unverbrauchten Ausdrucksmoeglichkeiten und der Drang zu widersprechen muessen als Motoren eines im Grunde stets unabsehbaren, spontanen Weiterschreitens der Kunst genuegen. In diesem vermeintlich bodenlosen Szenario fuehrt Schneede den Leser mit leichter Hand von den fruehen Avantgarden bis zur Medienkunst unserer Tage, und es gelingt ihm spielerisch, Schwellenaengste abzubauen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Seine Erzaehlung ist zwar dicht und materialreich, doch keinesfalls akademisch-trocken oder theorieueberfrachtet. Keine unverstaendliche Fachterminologie versperrt den Blick auf Kunst und Kuenstler, der Autor setzt ganz auf Anschaulichkeit und sprachliche Praegnanz, sein Ziel ist Vermittlung. Gerade der wenig vorgebildete Leser wird nicht hilflos zurueckgelassen, sondern geschickt zu erhellenden Einsichten geleitet."
Juergen Mueller, Neue Zuercher Zeitung, 13./14. April 2002

"Klar, anschaulich und mit Blick auf das Wesentliche schildert dieses Buch des renommierten Kunsthistorikers und Museumsdirektors Uwe M. Schneede in 22 Schritten den Weg der Kunst von den Revolten der Avantgarde bis zu den Medienkuensten der Gegenwart. Eine vorzuegliche Einfuehrung fuer jeden kunstinteressierten Leser."
Die Weltwoche, 14.2.2002

"In der knapp gefassten Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert (...) laesst die Praezision der Beschreibung, mit der er das Material erfasst, nichts zu wuenschen uebrig. Die Sicherheit, mit wenigen anschaulichen Begriffen komplexe Zusammenhaenge darzustellen, verraet einen Kenner der Materie, der aus der Ausstellungspraxis kommt. Man hat das Gefuehl, von ihm in einem imaginaeren Museum herumgefuehrt zu werden, in dem der Hausherr jedes Exponat so in den Blick rueckt, dass wir die Dinge ploetzlich mit seinem Blick sehen. (...)
Viele werden das Buch bald als Vademecum zur modernen Kunst benutzen, denn es erlaubt ihnen durch seine suggestive Lakonik, mit vielen Kunstrichtungen oder Kuenstlern erste Bekanntschaft zu machen."
"Kundig, klar und entschieden entwirft er ein neues, subjektives Panorama der verworrenen westlichen Kunstgeschichte im 20. Jahrhundert und vermittelt es kurzweilig - als spannende Story mit wechselnden Protagonisten und Perspektiven. ... auch eindrucksvolle Kapitel ..."
Alfred Nemeczek, art, Dezember 2001

"Wenn eine Kunstgeschichte lustvolles Lernen ermoeglicht, dann diese. Uwe Schneede, einst Professor fuer Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts in Muenchen, seit 1991 Direktor der Hamburger Kunsthalle, hat eine gut gegliederte und erfreulich lesbare Geschichte zur Kunst des vergangenen Jahrhunderts geschrieben. Neben den praegenden Stroemungen treten auch (fast) alle wichtigen Personen von Edvard Munch ueber Marcel Duchamp bis zu Georg Baselitz auf. Dabei doziert der Autor so gar nicht vom Katheder herab, sondern sieht sich eher als Erzaehler, der generoes und frei von Eitelkeiten Wissen und Einsichten ausbreitet. Eine beeindruckende Jahrhundertreise."
Axel Hecht, manager magazin, 24.11.01

"Sehr anschaulich und anekdotenreich stellt er herausragende Kuenstler vor und macht Zusammenhaenge zwischen den unterschiedlichen Kunststroemungen deutlich."
Anke Manigold, Brigitte, 28.11.01


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KinderBlicke / Kindheit und Moderne von Klee bis Boltanski ... August 2002 / ad /

"Kind und Kunst" geht das zusammen - ohne das eine oder andere zu versimplifizieren oder zu funktionalisieren? Der Mythos vom schoepferischen Kind und der Kuenstlernatur des Kindes wurde in der Romantik gehegt und trat besonders in den Krisenzeiten des 20. Jhds. erneut hervor. Auf der Suche nach unverbrauchten, innovativen Ausdrucksformen sehen die Kuenstler in den Zeichnungen von Kindern eine Naehe zum Ursprung kuenstlerischer Kreativitaet. So wurden von den Kuenstlern des Blauen Reiters Kinderzeichnungen gesammelt, um sich mit der kindlichen Formensprache auseinanderzusetzen. Insbesondere Gabriele Muenter anverwandelte sich dem fuer Kinder typischen Stil - kopierte ihn geradezu. Auch Paul Klee beschaeftigte sich mit seinen eigenen Kinderzeichnungen und liess sich von denen seines Sohnes anregen. In seinem Spaetwerk werden jedoch statt Kindheitsidealisierungen Akte der Dressur und Aggression herausstellt. Nach dem II. Weltkrieg vollzog die Gruppe COBRA nicht nur Ikonographie und Stil der Kinderzeichnung nach, sondern auch den unverstellten Umgang mit Farbe und Material. Diese Beispiele zeigen bereits die kunsthistorische Bedeutung und die Tradition der kuenstlerischen Auseinandersetzung mit den Bildern von Kindern.

In dem umfassenden Katalog zur Ausstellung "KinderBlicke“, die genau vor einem Jahr in der Staedtischen Galerie Bietigheim-Bissingen gezeigt wurde, wird der Komplex Kindheit und Kunst sorgsam in Themen gegliedert. Neben dem direkten Interesse von Kuenstlern an kindlichen Ausdrucksformen, werden Bildnisse von Kindern bzw. das Bild, dass Kuenstler von der Kindheit haben, vorgestellt und nebenbei kleinere Ausfluege zu Spielzeug aus dem Bauhaus und Kinderbuechern von Kurt Schwitters und El Lissitzky unternommen.

Im Reigen der Kinderdarstellungen versammeln sich unter anderem: seelisch und gemuetvoll Genrehaftes von Max Liebermann und Paula Modersohn-Becker, psychologisch Sozialkritisches der Neuen Sachlichkeit von Otto Dix, Otto Nagel und Conrad Felixmueller sowie Mythologisch-analytisches von Pablo Picasso. Als bekanntestes Kindermodel wird Fraenzi herausgestellt. Fasziniert und erotisiert spueren Kirchner und andere der Kuenstlergemeinschaft Bruecke der Kindfrau malerisch wie zeichnerisch nach. Da Missbrauch mit dem begehrenden Blick beginnt, sucht Gerd Preseler, denn Tabubrueche werden dem Kuenstlerischen ja zugeschrieben, die Darstellungen mit Zitaten zu neutralisieren. Er kommt zu dem Schluss, das es in der Tat, "mit dem Blick auf die Kindermodelle, um Bewegung und Form" ginge und begnuegt sich mit dem Hinweis, dass sich Kirchner neue Moeglichkeiten der Aktdarstellung in dem zur Frau erwachenden Maedchen erschlossen haben. Die Chance zur Analyse wird vergeben, auch bei der weiteren Schilderung der Akte ist nur von kindlicher Bewegungsfreude und malerischer Formensprache die Rede. Die Bildbesprechungen bleiben aufgesetzt unschuldig wie voyeuristisch, anruechig und anekdotisch bis zur Langeweile.

Letzter Makel zieht sich leider durch einige Katalogtexte: Ausfuehrliche Beschreibungen dessen, was man ohnehin auf den Bildern sieht. Die fundierte Quellenwiedergabe entschaedigt den Leser ein wenig. Mit Humor kann er deshalb dann auch zur Kenntnis nehmen, dass ein Autor ihn erstmal methodisch einweist und beschreibt, wovon er nicht schreiben will, weil schon soviel darueber geschrieben worden ist - hinsichtlich Klee.

Eine gelungene Wendung nimmt die Lektuere mit dem abschliessenden Blick auf die zeitgenoessische Kunst. Es zeigt sich noch einmal eindruecklich die Bedeutsamkeit des kuenstlerischen Motivs: Kind. Zwischen Zynismus und verlorener Unschuld fuehrt der Weg raus aus dem heilen Bild der Kindheit hin zu einem Ort der Analyse - fuer jeden.

KinderBlicke / Kindheit und Moderne / von Klee bis Boltanski
Ausstellung und Katalog: Herbert Eichhorn, Isabell Schenk
Hrsg.: Kultur- und Sportamt der Stadt Bietigheim-Bissingen - Staedtische Galerie
276 Seiten, 280 Abb., geb. 39,95 Euro, vergriffen
ISBN 3-7757-0941-X
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit 2001

www.hatjecantz.de

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was man von den 68ern erwartet haette ;-) ? ... Karlheinz Schmid / Maerz. 2002 / pd /

"Kuenstlerin und Kuenstler, Ende 1999 / Anfang 2000, sind reif fuer eine voellig neue Stellenbeschreibung, fuer eine Positionierung, die von gefundenen Schlupfloechern zeugt, die weite Taeler einer voruebergehend vernachlaeessigten Auseinandersetzung bietet. Ich denke dabei an das Beuys-Erbe, an die gesellschaftlichen Schleifspuren der sozialen Plastik. Rikrit Tiravanija, Jahrgang 1961, in Thailand aufgewachsen, dann in Kanada zu Hause, schliesslich in New York ansaessig, steht fuer dieses neue Kuenstlerbild einer freundlichen, um Mitmenschlichkeit und Kommunikation bemuehten Generation, die letztlich umsetzt, was man von den Achtundsechszigern erwartet haette (doch die sonnen sich lieber in der Rolle der Maler-Fuersten, Abteilung letztes, vorletztes Jahrhundert, vierspaennig und wenigstens fuenf- bis sechsstellig). Tiravanija, Central Kunstpreis-Traeger, hatte 1996 im Koelnischen Kunstverein seine New Yorker Wohnung nachgebaut, um Tag und Nacht, in der Tat 24 Stunden ununterbrochen, allen Unterkunft zu geben, die eine Unterkunft suchten. (...)"

Schmid beschreibt locker und bewertet hart: Kunstbetrieb, Kuenstler, Kunsthandel, Sponsoren, Sammler, Kulturpolitik, Medien und Museum. Mit einer schoenen Kapitelueberschrift ruft er den Katatstrophenalarm zum Familiendrama Kunsthochschule aus. Das Buch aus der Plaudertasche der Statementreihe vom Lindinger + Schmid Verlag GdbR kann man ohne Anstrengung an einem Nachmittag auf sich einstroemen lassen. Die als Massage eingestellte Sicht auf die Felder der Kunst und ihre Betriebsamkeit hinterlaesst keine Spuren, macht aber einiges deutlich - und zwar an ca. 500 Personen des "System Kunst".

Schade, dass der Begriff des "Betriebsystem Kunst", der ja bekanntlich aus der Computertechnologie entliehenen ist, den Autor nicht dazu verfuehrt hat, sich einmal auf dem, von der bildenden Kunst vernachlaessigten Feld der Netzkunst umzusehen. Dort, also vor allem im Internet, haette er einige Verbuendete getroffen, die seinen politischen Ansatz auf andere Art und Weise verwirklicht haben. Diese Netzartisten sind allerdings an der Auszeichnung "Kuenstler" eher desinteressiert. Sie nennen sich Aktivisten, Artisanen, Hacker, hidedotcom oder gar nicht. Ein Ausschluss netzkuenstlerischer Anstrengungen, die nicht direkt im Hinblick auf die bildende Kunst oder die Moderne (Konzeptionalitaet, Kontextualitaet, ...) angelegt sind, erscheint mir aber problematisch, denn die substantielle Bedeutung von Kunst / Moderne/ Heute liegt in ihrer Erneuerung auf sogenannt ausserkuenstlerischen Feldern: Werbung (Toscani / Benetton), Musik-Clips (Kraftwerk, Pet Shop Boys, Bjoerk, Yellow), Fernsehen (Schmidt, Schneider, Ulmen, Stuckrad-Barre), Netz (CCC, jodi, etoy, rtmark). Damit sind die kuenstlerischen Methoden veraendert. Sie sind als ausdrueckliche Strategien der Beobachtung (der Beobachter) von Kunst und Gesellschaft zu verstehen, wobei die Aktivisten im Internet sozusagen noch unerkannt der Spezifizierungsphase ihres Mediums verhaftet sind. Das aber haben die anderen, damals neuen Medien, auch hinter sich bringen muessen.

Vielleicht koennen die nachfolgenden Zitate aus dem "Kunstbetrieb im Umbruch" zu einem munter ironischen Einstieg in das Thema gemacht werden.

§ Beruf Kuenstler bedeutet heute, Genie zu sein, ohne es zu sagen / Karlheinz Schmid
§ Zur Selbstverstaendlichkeit wurde, dass nichts, was die Kunst betrifft, mehr sebstverstaendlich ist, weder in ihr noch in ihrem Verhaeltnis zum Ganzen / Theodor W. Adorno
§ Dabei sind wir eine Notgemeinschaft von Schiffbruechigen / Arno Schmidt
§ Hoehere Wesen befehlen: rechte obere Ecke schwarz malen / Sigmar Polke
§ Zeitgenoessische Kunst ist ohne Theorie nicht mehr begreif- und vermittelbar / Wolfgang Zinggl
§ Kunstausstellungen sollten zum Uebungsfeld des neuen Denkens gemacht werden / Stephan Schmidt-Wulffen
§ Jeder Kuenstler ist gehalten, sein Werk in eine immense Hoehe zu treiben, damit die Zeit, die oeffentlich keine andere Achtung mehr kennt, als Geld, dieses Kunstwerk ueberleben laesst / Markus Luepertz
§ Ich schwaerme von meiner eigenen Groesse / dito
§ Prinzip Grausamkeit / Anna, Bernhard Blume
§ Jetzt wieder auf das klassische Bild an der Wand zu gehen, ist hilflos / Olaf Metzel
§ Kunst macht sensibel fuer die Wirklichkeit. Das kann man im Atelier allein nicht leisten. Man muss rausgehen, unterwegs sein und mit Leuten eine Struktur entwickeln / dito
§ Die Gefahr kommt nicht mehr von politisch eingeschraenkter Freiheit, sondern vom oeffentlichen Desinteresse / Beat Wyss
§ Die Freiheit der Kunst koennte bald so total werden, dass ihr die materielle Grundlage entzogen wird, wenn mangels Nachfrage kein kulturpolitisches Beduerfnis mehr besteht, in sie zu investieren / dito
§ Die Kunst bezieht sich nicht mehr auf sich selbst, sondern erweitert ihren Radius um Bereiche, die ausserhalb der Kunst liegen / Zdenek Felix
§ Der Sammler uebernimmt die Zusammenarbeit mit den Kuenstlern, die Rolle des Kuenstlers / dito
§ Die Kunstwerke, verkoerpern nicht endgueltige Produkte, sondern prozesshafte Ablaeufe, offene Strukturen. Sie sind veraenderbar. Die Ausstellung wird zur Momentaufnahme, zur eigenwilligen Uebersetzung, ohne Gewaehr / Wilhelm Schuermann
§ Ich habe keine Lehre, keine Mission, weiss nichts besser und bilde auch niemanden aus. Von mir kann man nichts lernen, denn ich glaube fest, dass man ueberhaupt nichts lernen kann. Kuenstler kann man nicht machen und nicht werden. Keunstler ist man, oder man ist es nicht / Johannes Gruetzke
§ Zur geforderten Unbekuemmertheit des Artisten passt auf Dauer das Amt des Professors nicht, Amt und Titel sind zu schwergewichtig / Thomas Huber
§ Jedes Mitglied der Anstalt Akademie wird frueher oder spaeter von einem Hospitalismus-Syndrom befallen und beginnt, die Probleme in der kleinen Welt Akademie fuer wichtiger zu halten, als die Probleme der großen Welt ausserhalb. Den einen trifft es haerter, den anderen weniger, aber eine kleine Blickverengung wird sicherlich immer feststellbar sein / Hans Peter Reuter
§ Der Kuenstler als allgemeiner Betrachter findet sich ploetzlich in der Rolle - und in der Verantwortung - des Normalbuergers wieder, mit dem er sich frueher nicht an einen Tisch gesetzt haette. Er interessiert sich fuer Natur und Gesellschaft, fuer Mode und Musik, fuer's Kochen und die Humanwissenschaften - und ganz besonders fuer die Entzauberung des Kunstbetriebs, der ueber sein Wohl und Wehe entscheidet / Knut Ebeling


Schmid / Karlheinz
Vom Produkt zum Prozess - Kunstbetrieb im Umbruch
Statement-Reihe, Bd. 30, 240 Seiten, 35 Abb.
ISBN 3-929970-41-4, br., EUR 20,40
Wo Kuenstler raumgreifende, kaum zu vermarktende Installationen bauen, teils aus vergaenglichem Material, meist auf die spezielle Situation vor Ort bezogen, geraten die traditionellen Begriffe rasch in Bewegung. Wo obendrein vermeintlich unumgaengliche Werte, darunter die Numerierung im Auflagen-Bereich, kurzerhand ignoriert oder zugunsten freier Vervielfaeltigung verabschiedet werden, herrscht ein anderes, ein neues Klima. Und diese neue Offenheit der sogenannten Crossover-Generation erfordert zwangslaeufig auch erweiterte Vermittlungsstrukturen, mithin einen Kunstbetrieb, der nicht nur auf die Ware Kunst setzt.

lindinger-schmid.de

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